Dienstag, 9. Oktober 2012

Fast eine Dummheit!


Die Fahrt von der Westgrenze bis fast in die Zentralmongolei war abenteuerlich, aufregend, anstrengend aber auch sehr spaßig.
Wir möchten uns die Klöster im Ort Tsetserleg ansehen, welcher ziemlich genau nördlich von uns liegen.
Wir schauen uns die Karte genau an und sehen einen schmalen gelben Strich nach Norden. Das bedeutet, wir hätten folgende Optionen:
  1. Entweder fahren wir weiter Richtung Osten und kommen dann langsam auf die Hauptroute nach Ulaan Bator und machen eine große Schleife zurück Richtung Westen um dann auf guten Straßen nach Tsetserleg zu kommen
  2. oder wir fahren ganz einfach in Bayankongor kerzengerade nach Norden, 180 km durch die Berge.

Zeitersparnis = ca. 1 Tag, Spaßfaktor durch die Berge sicher höher als dann auf den ausgetretenen Hauptrouten und Teer zu fahren. Vor allem die Zeitersparnis bringt uns auf die „glorreiche“ Idee, die Piste gen Norden aus zu probieren.

Bayankongor ist eine etwas größer Stadt mit Tankstellen, Banken und einer kurzen Teerstraße die mehr Löcher als Teer hat. Wir sind total überrascht, als wir in diesem staubigen Ort einen richtig großen Supermarkt mit sogar deutschen Lebensmitteln / Produkten von gut & günstig finden. Perfekt, so können wir unsere Vorräte wieder richtig auffüllen.

Es ist inzwischen fast dunkel, keiner kann uns den Weg Richtung Norden, also Tsetserleg nennen. Ja so etwas gibt es! Es gibt eine einzige Straße aus der Stadt gen Norden und diese verwandelt sich noch im Ort in eine schmale Piste und endet dann entweder vor einem Bach oder Berge. Wir übernachten am Bach und wollen bei Tag noch einmal unser Glück versuchen.
Am Morgen fahren wir wieder öfters die geteerte Hauptstraße auf und ab, fragen verschiedene Menschen nach dem Weg, diese schauen uns jedoch nur mit großen Augen an. Ein nagelneuer großer Nissan Jeep hält und fragt in schlechtem Englisch ob er helfen kann. Auch ihn fragen wir nach dem Weg und er bittet uns zu folgen. Er fährt die bereits erwähnte schmale Piste hoch, biegt dann rechts ab und quert zweimal einen tiefen Fluss. Auf der anderen Seite ist nur Geröll und ein Weg ist nicht wirklich erkennbar. Auf einem Stückpapier erklärt er uns, wie wir durch die Berge im Norden kommen könnten. Eigentlich hätte das bereits eine Warnung sein sollen, aber voller Übermut und Reiseblindheit bedanken wir uns artig und suchen uns einen Weg durch das Geröll.

Wir fahren immer dem Fluss entlang der uns in ein breites Tal führt. Wir können es fast nicht glauben, vor uns liegt ein riesen großes Flussbett, mit Geröll und unzähligen Nebenarmen dieses Flusses. Wir versuchen am Rand des Tales zu fahren, damit wir nicht so oft durch das Wasser fahren müssen. Immer wieder passiert es, dass wir nicht weiter kommen und ein Stück zurückfahren müssen, um dann den Fluss abermals zu queren.

Erster Blick in das Tal

Schließlich müssen wir über einen kleinen Berg fahren und kommen langsam vom Flussbett weg hinauf auf eine Hochebene. Wir erreichen nach ca. 25 km und fast 2 Stunden Fahrt den Ort Erdensogt. Wir sehen ein altes buddhistisches Kloster. Der ideale Ort für ne dringend erforderliche Pause. Die Mönche sind sehr freundlich, laden uns zu ihrer Puja ein und zeigen uns danach ihr Kloster. Als sie unser Auto sehen, strahlen sie um die Wette und alle wollen natürlich hinein, untendrunter und überhaupt … schauen. Wir haben viel Spaß mit ihnen und müssen viel lachen. Wir erzählen ihnen unseren Plan nach Tsetserleg zu fahren. Der Abt kennt den Ort und sagt uns, dass wir nicht die normale Route entlang des Flusses fahren sollen, da wir dort 10x den Fluss queren müssen und das Wasser durch die viele Regenfälle hüfthoch steht. Lieber den Umweg über die Berge nehmen und dafür nur 5x tiefere Flussquerungen erleiden. Das ist natürlich ein sehr wertvoller Tip!

 Erdensogt Kloster

Erdensogt Stupas

Erdensogt Puja

Erdensogt - Die Mönche prüfen unser Auto

Erdensogt - Mönche

Wir fahren los und auf dem mini Marktplatz von Erdensogt treffen wir Jeep Fahrer mit alten UAZ, also Taxis für die Berge. Wir fragen sie nach dem Zustand der Piste. Sie bestätigen uns die Furten, jedoch meinen sie, dass die Wasserhöhe nicht schlimm ist. Dann kommt plötzlich eine Diskussion unter den Fahrern auf und sie machen eine Strichliste auf unserer verstaubten Fahrertür. Ich zähle 15 Striche, jeder Strich für eine Furt. Alle beteuern uns, dass es mit unserem Gefährt locker geht, bis auf einen, der das gleiche wie der Abt empfiehlt.
Diese längere Strecke wählen wir auch. Wir fahren extrem steile und schmale Pisten hinauf, kommen in tolle Täler und treffen keine Menschenseele.

Erdensogt - Umweg über die Berge

Tatsächlich sind es 5 Furten, die für uns ganz gut machbar sind, bis wir wieder auf der Hauptgeröllstrecke kommen. Aber jetzt beginnt erst der Wahnsinn!!!

Meist sind die Brücken zerstört

...dann muss man durch den Fluß

Petra prüft den Fluß

Wir fahren ständig durch Bäche und Flüsse, mit zum Teil Wasser bis zur Tür Mitte, suchen uns einen Weg durch das tiefe Geröll. Fahren fast nur noch mit 4x4 im ersten Gang. Einer von uns beiden geht immer durch die eiskalten Flüsse und schaut wie der Untergrund ist und wo wir am besten queren können. Vor allem die Böschungen haben es meist in sich. Mehrmals haben wir im Fluss das Gefühl, dass die Räder keine richtige Haftung mehr haben und ich gebe mächtig Gas damit wir mit Speed durch kommen. Ich weiß natürlich, dass man das nicht zu heftig tun darf, denn durch das Tempo baut sich eine hohe Welle vor dem Kühler auf, was den Motor gefährden kann. Einmal wären wir fast in einem sehr breiten Geröllfeld stecken geblieben. Die großen abgeschliffenen Steine haben unter unserer Last so extrem nachgegeben, dass unser Unterboden immer wieder aufgesessen ist. Nur mit kleinster Untersetzung im 4x4 und viel Power konnten wir uns durch arbeiten. Ungefähr 15 Flussquerung stehen pro Tag auf dem Programm.

Das schlimme Geröllfeld 

Das schlimme Geröllfeld

Mustafa prüft das Geröllfeld

Eine von vielen Flussquerungen in den Bergen


Die Umstände und Pisten werden immer schlechter, der Boden matschiger, schmaler und steiler. Schmale Geröllpfade führen entlang des Berghanges und wir klettern langsam auf den Pass mit 2.800 m. Die Schneefallgrenze liegt bereits bei 2.600 m, links und rechts neben uns sind die Berge angezuckert. In Sichtweite schneebedeckte 4000er. Oben auf dem Pass wartet ein Ovoo auf uns. Wir umkreisen ihn nicht nur dreimal, wie üblich, sondern mindestens zehnmal, um so für Glück und Gesundheit zu bitten. Wir fahren schon den ganzen Tag ohne Pause und haben noch nicht einmal die Hälfte, sprich 90 km geschafft. Zum Ovoo kommt eine ältere Dame und ihr Sohn auf einem Moped um ein Abendgebet zu sprechen. Es sind Nomaden die irgendwo hier in den Bergen ihr Gerlager haben. Wir können uns kaum verständigen, aber eins verstehen wir. Es soll wieder schneien. Denn Mongolisch und auch auf Türkisch heißt Schnee = Kar. Wir haben eh schon weiche Knie, aber jetzt geht uns langsam die Düse.
Wir wollen noch ein kleines Stückchen fahren bevor die Dunkelheit uns stoppt. Die Abfahrt vom Berg ist sehr schwierig. Eine ganz schmale ausgewaschene Steinpiste führt entlang eines Baches.

Pass 2.800m - Ovoo

Plötzlich piepst unser Reifendrucksensor und ich sehe im Rückspiegel wie es aus dem linken Hinterreifen heraus bläst. Ein scharfkantiger Brocken hat den Reifen der Länge nach aufgeschnitten. Es ist für uns eh ein Wunder, dass nicht schon viel früher ein Reifen kaputt gegangen ist. Gleich kommen die Dame und ihr Sohn den Berg herunter um uns zu helfen. Auf der schiefen Ebene ist es nicht ganz einfach, jedoch bekommen wir den Wechsel ganz gut hin. Inzwischen ist es auch schon fast dunkel geworden. Wir fahren noch ein kleines Stück weiter und übernachten auf 2.650 m. Jetzt haben wir richtig Angst. Ganz ehrlich, ich hatte in meinem Leben noch nicht oft solche Angst und Sorgen wie jetzt. Zum einen Sorgen wir uns wegen dem Wetter. Der Himmel ist jetzt stark bewölkt, ein Sturm bläst durch die Berge. Wenn es schneit oder regnet sind die Flüsse ziemlich sicher unpassierbar und die Naturpisten nur noch Sumpf und Matsch. Wir sind dann hier oben gefangen. Zum anderen haben wir keinen Ersatzreifen mehr. Den zweiten Reifen haben wir ja in Usbekistan geschrottet. Wir wollten uns einen neuen in Ullan Bator besorgen. Wenn wir jetzt noch einen Platten haben sollten, stecken wir auch fest.

Platten - Reifenwechsel auf 2.700m

Nomadin kommt zur Hilfe

Das schlechte Gefühl verstärkt sich dadurch noch, weil wir hier oben, bis auf die zwei Mopedfahrer keinen Menschen und schon gar kein Fahrzeug gesehen haben. Wir könnten nur sehr schwer Hilfe holen.

In der Nacht kühlt es auf -5°C ab, ein Sturm fegt über das Auto und rüttelt mächtig. Ich mache kein Auge zu, prüfe immer wieder den Himmel. Der einzige Schnarcher ist Jonas, der alles als tolles Abenteuer empfindet und ständig fragt, wann wir den wieder einmal eine Reifenpanne haben. Ihr könnt euch vorstellen, dass ich dieses „böse Wort“ in diesem Augenblick nicht wirklich gerne höre!

Mit den ersten Sonnenstrahlen fahren wir weiter, die Pfützen und kleinere Seen sind gefroren. Es geht so weiter wie am Vortag. Aber wir haben einen Entschluss gefasst, wie wir das Risiko wenigstens etwas verkleinern. Wenn wir irgendwo einen Jeep sehen, bitten wir ihn, natürlich gegen Bezahlung, bis zum ersten Ort, ca. 35km vor Tsetserleg zu fahren und uns die „ideal Route“ zu zeigen. Und zum anderen hätten wir so jemanden der Hilfe holen könnte, falls etwas mit dem Auto passiert. Nicht viel weiter sehen wir dann 4 Gers mit vielen Ziegen und Yaks und einem alten russischen UAZ Jeep. Wir fahren zu diesem Lager und fragen den jungen Mann ob er das machen würde. Nach einer Weile smal Talk, eher smal Gestikulirung, sagt er zu. Er und sein Vater beladen den alten Jeep mit frischen Schaffellen, zum Teil noch blutig, mit Käse und Milch. Obendrauf kommt das Ersatzrad, ohne Luft dafür mit einem großen Loch. Den Reifen will er im Ort reparieren lassen. Schön, dann sind wir ja schon zu zweit ohne Ersatzrad. Der Sohn kurbelt vorne den Motor an und es geht los. Wir machen ihm klar, dass er bitte langsam fahren soll, damit wir sehen wo der Weg ist und wie tief die Flüsse sind. Er nickt und braust los wie ein Rennfahrer. Es ist 10 Uhr und wir haben 70 km durch die Berge vor uns.

Nomaden - Jonas hilft Butter machen

Nomaden: Solar und TV dürfen nicht fehlen

Nomaden - UAZ wird beladen

Nach einer unangenehmen Flussquerung dreht er plötzlich um. Zu erst denken wir, dass er keine Lust mehr hat, aber irgendwann kapieren wir dass er kein Benzin mehr hat, und er zu dem weißen Punkt da hinten (natürlich ein Ger) fahren will um nach Benzin zu fragen. Toll! Wir fahren weiter und er holt uns bald wieder ein. Auf einmal bleibt er wieder stehen. Zeigt hoch hinauf auf einen Berghang und läuft mit seinem Sohn hinauf. Nach 30 min kommen sie mit einem Tier zurück, werfen es hinten in den Jeep und brausen weiter. Nach mehreren Stunden und unzähligen Flussquerungen hat er es endlich verstanden. Langsam fahren oder zumindest bei Flüssen warten. Juchu!

Wildromantisch: Berge, Flüsse, Pferde

Wildromantisch

Das Tal öffnet sich, immer öfter sehen wir an den Hängen Gers. Unser neuer Freund steuert ein Ger an. Er hält, holt ein paar Felle heraus und tauscht sie gegen Nudeln, Käse und Geld ein. Kommentarlos geht’s weiter.

Nomadenkinder

Plötzlich fährt er von der Piste, die es inzwischen gibt ab, und quält sich mit uns durch einen Sumpf. Er hält macht die Motorhaube auf und raucht erst einmal. Wir fragen was los ist. Er erklärt uns, dass er das nur vorsorglich macht, denn er will eine Abkürzung den Steilen matschigen Hang hinauf fahren. Geradeaus müssten wir den Fluss queren der sehr viel Uuz = Wasser (dieses Wort werde ich wohl nie vergessen) hat. Hmmm wir sehen Jeeps die Piste entlang fahren und bestehen darauf auch wie die Jeeps zu fahren. Sie geben dann nach und fahren mit uns einen sehr steilen Pass hinauf. Er schafft es fast nicht, verschaltet sich und rollt plötzlich uns entgegen… und an uns vorbei hinunter. Er wollte den megasteilen Hang hinauf fahren, sehr witzig. Gegen Abend erreichen wir glücklich und total kaputt den kleinen Ort. Hier trennen sich unsere Wege. Er geht seinen Geschäften nach und wir suchen den Weg nach Tsetserleg.

Ende der schlimme Piste, treffen wieder Nomaden

Die Piste ist immer noch sehr anspruchsvoll, aber kein Vergleich zu den Bergen. In Tsetserleg gibt es das Fairfield Cafe & Guesthouse, was von Engländern geführt wurde. Es ist ein Backpacker Treffpunkt und für uns Zivilisation und Rettung zu gleich. Wir dürfen die Duschen benützen, bekommen lecker Essen und Kaffee. Und das aller Beste. Ein deutscher Backpacker erzählt uns, dass inzwischen die komplette Straße bis nach Ulaan Bator geteert ist.

Yes, wir haben es geschafft! Aber die letzten drei Tage haben uns fast die letzten Kräfte gekostet und unser Auto zerlegt. Wie dumm waren wir, einem Flussbett zu folgen!

Über diese Berge und durch das Tal war die Abkürzung...

8 Kommentare:

  1. das war wohl eins der bisher größten abenteuer eurer reise - und ihr habt noch ca. 6 monate vor euch :-)
    weiter so! allzeit viel glück und gesundheit!
    herbstliche grüße aus bayern!
    thomas

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  2. ...und lieben gruß vom michael - der hat großen respekt vor euch!

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  3. Boooaaahhh ... das ist ja mega spannend !
    Ich drück euch weiterhin die Daumen und denk an euch.
    Ganz liebe Grüße
    Otto

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  4. "Toller Pemujo, toller Fahrer", genau Petra ;-)
    (Kommentar zum Viedo)
    und ich ergänze: tolle Beifahrerin, und oberhypertoller Jonas!!!!

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  5. Ganz interessant! Solche Landschaften sind auf den ersten Blick recht imposant, aber wirken nach einiger Zeit doch auch ermuedend. Sinne toetend nach userer Erfahrung, ob mans will oder nicht. Aber wenns anders waere wuerde man ja den Unterschied nicht merken.
    Es gruessen die Leute von der Stadt am Meer.

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  6. Jetzt müssen wir uns auch wieder mal melden. Wir lesen natürlich mit Begeisterung Euren Blog und halten uns so auf dem Laufenden. Wahnsinnstour, wunderschöne Bilder und Erlebnisse die Ihr da abliefert ! GRATULATION !!!
    Weiterhin alles Gute.
    Wir drücken Euch die Daumen für die China-Etappe.
    Gaanz liiiebe Grüße aus Österreiche & sagt Jonas er kann mächtig stolz auf Euch und vor allem auf sich sein.

    Ulrike & Johannes

    PS.: Sind jetzt selber schon sehr in Reisestimmung am 28.November geht's bei uns endlich los Richtung Indochina (Thailand, Kambodscha, Laos, Vietnam) - ganz in alter Backpackermanier mit Rucksack und wenig Geld ;-)

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  7. Liebe Uli, lieber Jo, danke für eure Nachricht. Wenn wir es schon zu Hause so schlecht mit einem Treffen hinbekommen, dann probieren wir es einfach mal in Thailand oder Kambodscha. Also Anfang Dezember in Kambodscha. LG

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  8. cooler Bericht. In diesem Land habe ich gelernt, dass es für alles ein Lösung gibt und Dinge gehen, die man nicht glauben mag. Wir Deutschen sind einfach zu sicherheitsdenkend und eingeschränkt im Kopf (bei einem Tee mal mehr). Tolle Landschaft. Ich bin (bei unserer Fahrt) und wäre bei eurer zu dem Zeitpunkt auch innerlich gestorben ;) Wir haben im Fairfield mehrere Tage gewohnt ;) leckerer Salat ... D&P us Muc

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Danke für deine Nachricht.
Liebe Grüsse, die Özis