Die Fahrt von der Westgrenze bis fast
in die Zentralmongolei war abenteuerlich, aufregend, anstrengend aber
auch sehr spaßig.
Wir möchten uns die Klöster im Ort
Tsetserleg ansehen, welcher ziemlich genau nördlich von uns liegen.
Wir schauen uns die Karte genau an und
sehen einen schmalen gelben Strich nach Norden. Das bedeutet, wir
hätten folgende Optionen:
Entweder fahren wir weiter
Richtung Osten und kommen dann langsam auf die Hauptroute nach Ulaan
Bator und machen eine große Schleife zurück Richtung Westen um
dann auf guten Straßen nach Tsetserleg zu kommen
oder wir fahren ganz einfach in
Bayankongor kerzengerade nach Norden, 180 km durch die Berge.
Zeitersparnis = ca. 1 Tag, Spaßfaktor
durch die Berge sicher höher als dann auf den ausgetretenen
Hauptrouten und Teer zu fahren. Vor allem die Zeitersparnis bringt
uns auf die „glorreiche“ Idee, die Piste gen Norden aus zu
probieren.
Bayankongor ist eine etwas größer
Stadt mit Tankstellen, Banken und einer kurzen Teerstraße die mehr
Löcher als Teer hat. Wir sind total überrascht, als wir in diesem
staubigen Ort einen richtig großen Supermarkt mit sogar deutschen
Lebensmitteln / Produkten von gut & günstig finden. Perfekt, so
können wir unsere Vorräte wieder richtig auffüllen.
Es ist inzwischen fast dunkel, keiner
kann uns den Weg Richtung Norden, also Tsetserleg nennen. Ja so etwas
gibt es! Es gibt eine einzige Straße aus der Stadt gen Norden und
diese verwandelt sich noch im Ort in eine schmale Piste und endet
dann entweder vor einem Bach oder Berge. Wir übernachten am Bach und
wollen bei Tag noch einmal unser Glück versuchen.
Am Morgen fahren wir wieder öfters die
geteerte Hauptstraße auf und ab, fragen verschiedene Menschen nach
dem Weg, diese schauen uns jedoch nur mit großen Augen an. Ein
nagelneuer großer Nissan Jeep hält und fragt in schlechtem Englisch
ob er helfen kann. Auch ihn fragen wir nach dem Weg und er bittet uns
zu folgen. Er fährt die bereits erwähnte schmale Piste hoch, biegt
dann rechts ab und quert zweimal einen tiefen Fluss. Auf der anderen
Seite ist nur Geröll und ein Weg ist nicht wirklich erkennbar. Auf
einem Stückpapier erklärt er uns, wie wir durch die Berge im Norden
kommen könnten. Eigentlich hätte das bereits eine Warnung sein
sollen, aber voller Übermut und Reiseblindheit bedanken wir uns
artig und suchen uns einen Weg durch das Geröll.
Wir fahren immer
dem Fluss entlang der uns in ein breites Tal führt. Wir können es
fast nicht glauben, vor uns liegt ein riesen großes Flussbett, mit
Geröll und unzähligen Nebenarmen dieses Flusses. Wir versuchen am
Rand des Tales zu fahren, damit wir nicht so oft durch das Wasser
fahren müssen. Immer wieder passiert es, dass wir nicht weiter
kommen und ein Stück zurückfahren müssen, um dann den Fluss
abermals zu queren.
Erster Blick in das Tal
Schließlich müssen wir über einen
kleinen Berg fahren und kommen langsam vom Flussbett weg hinauf auf
eine Hochebene. Wir erreichen nach ca. 25 km und fast 2 Stunden Fahrt
den Ort Erdensogt. Wir sehen ein altes buddhistisches Kloster. Der
ideale Ort für ne dringend erforderliche Pause. Die Mönche sind
sehr freundlich, laden uns zu ihrer Puja ein und zeigen uns danach
ihr Kloster. Als sie unser Auto sehen, strahlen sie um die Wette und
alle wollen natürlich hinein, untendrunter und überhaupt …
schauen. Wir haben viel Spaß mit ihnen und müssen viel lachen. Wir
erzählen ihnen unseren Plan nach Tsetserleg zu fahren. Der Abt kennt
den Ort und sagt uns, dass wir nicht die normale Route entlang des
Flusses fahren sollen, da wir dort 10x den Fluss queren müssen und
das Wasser durch die viele Regenfälle hüfthoch steht. Lieber den
Umweg über die Berge nehmen und dafür nur 5x tiefere Flussquerungen
erleiden. Das ist natürlich ein sehr wertvoller Tip!
Erdensogt Kloster
Erdensogt Stupas
Erdensogt Puja
Erdensogt - Die Mönche prüfen unser Auto
Erdensogt - Mönche
Wir fahren los und auf dem mini
Marktplatz von Erdensogt treffen wir Jeep Fahrer mit alten UAZ, also
Taxis für die Berge. Wir fragen sie nach dem Zustand der Piste. Sie
bestätigen uns die Furten, jedoch meinen sie, dass die Wasserhöhe
nicht schlimm ist. Dann kommt plötzlich eine Diskussion unter den
Fahrern auf und sie machen eine Strichliste auf unserer verstaubten
Fahrertür. Ich zähle 15 Striche, jeder Strich für eine Furt. Alle
beteuern uns, dass es mit unserem Gefährt locker geht, bis auf
einen, der das gleiche wie der Abt empfiehlt.
Diese längere Strecke wählen wir
auch. Wir fahren extrem steile und schmale Pisten hinauf, kommen in
tolle Täler und treffen keine Menschenseele.
Erdensogt - Umweg über die Berge
Tatsächlich sind es 5 Furten, die für
uns ganz gut machbar sind, bis wir wieder auf der Hauptgeröllstrecke
kommen. Aber jetzt beginnt erst der Wahnsinn!!!
Meist sind die Brücken zerstört
...dann muss man durch den Fluß
Petra prüft den Fluß
Wir fahren ständig durch Bäche und
Flüsse, mit zum Teil Wasser bis zur Tür Mitte, suchen uns einen Weg
durch das tiefe Geröll. Fahren fast nur noch mit 4x4 im ersten Gang.
Einer von uns beiden geht immer durch die eiskalten Flüsse und
schaut wie der Untergrund ist und wo wir am besten queren können.
Vor allem die Böschungen haben es meist in sich. Mehrmals haben wir
im Fluss das Gefühl, dass die Räder keine richtige Haftung mehr
haben und ich gebe mächtig Gas damit wir mit Speed durch kommen. Ich
weiß natürlich, dass man das nicht zu heftig tun darf, denn durch
das Tempo baut sich eine hohe Welle vor dem Kühler auf, was den
Motor gefährden kann. Einmal wären wir fast in einem sehr breiten
Geröllfeld stecken geblieben. Die großen abgeschliffenen Steine
haben unter unserer Last so extrem nachgegeben, dass unser Unterboden
immer wieder aufgesessen ist. Nur mit kleinster Untersetzung im 4x4
und viel Power konnten wir uns durch arbeiten. Ungefähr 15
Flussquerung stehen pro Tag auf dem Programm.
Das schlimme Geröllfeld
Das schlimme Geröllfeld
Mustafa prüft das Geröllfeld
Eine von vielen Flussquerungen in den Bergen
Die Umstände und Pisten werden immer
schlechter, der Boden matschiger, schmaler und steiler. Schmale
Geröllpfade führen entlang des Berghanges und wir klettern langsam
auf den Pass mit 2.800 m. Die Schneefallgrenze liegt bereits bei
2.600 m, links und rechts neben uns sind die Berge angezuckert. In
Sichtweite schneebedeckte 4000er. Oben auf dem Pass wartet ein Ovoo
auf uns. Wir umkreisen ihn nicht nur dreimal, wie üblich, sondern
mindestens zehnmal, um so für Glück und Gesundheit zu bitten. Wir
fahren schon den ganzen Tag ohne Pause und haben noch nicht einmal
die Hälfte, sprich 90 km geschafft. Zum Ovoo kommt eine ältere Dame
und ihr Sohn auf einem Moped um ein Abendgebet zu sprechen. Es sind
Nomaden die irgendwo hier in den Bergen ihr Gerlager haben. Wir
können uns kaum verständigen, aber eins verstehen wir. Es soll
wieder schneien. Denn Mongolisch und auch auf Türkisch heißt Schnee
= Kar. Wir haben eh schon weiche Knie, aber jetzt geht uns langsam
die Düse.
Wir wollen noch ein kleines Stückchen
fahren bevor die Dunkelheit uns stoppt. Die Abfahrt vom Berg ist sehr
schwierig. Eine ganz schmale ausgewaschene Steinpiste führt entlang
eines Baches.
Pass 2.800m - Ovoo
Plötzlich piepst unser
Reifendrucksensor und ich sehe im Rückspiegel wie es aus dem linken
Hinterreifen heraus bläst. Ein scharfkantiger Brocken hat den Reifen
der Länge nach aufgeschnitten. Es ist für uns eh ein Wunder, dass
nicht schon viel früher ein Reifen kaputt gegangen ist. Gleich
kommen die Dame und ihr Sohn den Berg herunter um uns zu helfen. Auf
der schiefen Ebene ist es nicht ganz einfach, jedoch bekommen wir den
Wechsel ganz gut hin. Inzwischen ist es auch schon fast dunkel
geworden. Wir fahren noch ein kleines Stück weiter und übernachten
auf 2.650 m. Jetzt haben wir richtig Angst. Ganz ehrlich, ich hatte
in meinem Leben noch nicht oft solche Angst und Sorgen wie jetzt. Zum
einen Sorgen wir uns wegen dem Wetter. Der Himmel ist jetzt stark
bewölkt, ein Sturm bläst durch die Berge. Wenn es schneit oder
regnet sind die Flüsse ziemlich sicher unpassierbar und die
Naturpisten nur noch Sumpf und Matsch. Wir sind dann hier oben
gefangen. Zum anderen haben wir keinen Ersatzreifen mehr. Den zweiten
Reifen haben wir ja in Usbekistan geschrottet. Wir wollten uns einen
neuen in Ullan Bator besorgen. Wenn wir jetzt noch einen Platten
haben sollten, stecken wir auch fest.
Platten - Reifenwechsel auf 2.700m
Nomadin kommt zur Hilfe
Das schlechte Gefühl verstärkt sich
dadurch noch, weil wir hier oben, bis auf die zwei Mopedfahrer keinen
Menschen und schon gar kein Fahrzeug gesehen haben. Wir könnten nur
sehr schwer Hilfe holen.
In der Nacht kühlt es auf -5°C ab,
ein Sturm fegt über das Auto und rüttelt mächtig. Ich mache kein
Auge zu, prüfe immer wieder den Himmel. Der einzige Schnarcher ist
Jonas, der alles als tolles Abenteuer empfindet und ständig fragt,
wann wir den wieder einmal eine Reifenpanne haben. Ihr könnt euch
vorstellen, dass ich dieses „böse Wort“ in diesem Augenblick
nicht wirklich gerne höre!
Mit den ersten Sonnenstrahlen fahren
wir weiter, die Pfützen und kleinere Seen sind gefroren. Es geht so
weiter wie am Vortag. Aber wir haben einen Entschluss gefasst, wie
wir das Risiko wenigstens etwas verkleinern. Wenn wir irgendwo einen
Jeep sehen, bitten wir ihn, natürlich gegen Bezahlung, bis zum
ersten Ort, ca. 35km vor Tsetserleg zu fahren und uns die „ideal
Route“ zu zeigen. Und zum anderen hätten wir so jemanden der Hilfe
holen könnte, falls etwas mit dem Auto passiert. Nicht viel weiter
sehen wir dann 4 Gers mit vielen Ziegen und Yaks und einem alten
russischen UAZ Jeep. Wir fahren zu diesem Lager und fragen den jungen
Mann ob er das machen würde. Nach einer Weile smal Talk, eher smal
Gestikulirung, sagt er zu. Er und sein Vater beladen den alten Jeep
mit frischen Schaffellen, zum Teil noch blutig, mit Käse und Milch.
Obendrauf kommt das Ersatzrad, ohne Luft dafür mit einem großen
Loch. Den Reifen will er im Ort reparieren lassen. Schön, dann sind
wir ja schon zu zweit ohne Ersatzrad. Der Sohn kurbelt vorne den
Motor an und es geht los. Wir machen ihm klar, dass er bitte langsam
fahren soll, damit wir sehen wo der Weg ist und wie tief die Flüsse
sind. Er nickt und braust los wie ein Rennfahrer. Es ist 10 Uhr und
wir haben 70 km durch die Berge vor uns.
Nomaden - Jonas hilft Butter machen
Nomaden: Solar und TV dürfen nicht fehlen
Nomaden - UAZ wird beladen
Nach einer unangenehmen Flussquerung
dreht er plötzlich um. Zu erst denken wir, dass er keine Lust mehr
hat, aber irgendwann kapieren wir dass er kein Benzin mehr hat, und
er zu dem weißen Punkt da hinten (natürlich ein Ger) fahren will um
nach Benzin zu fragen. Toll! Wir fahren weiter und er holt uns bald
wieder ein. Auf einmal bleibt er wieder stehen. Zeigt hoch hinauf auf
einen Berghang und läuft mit seinem Sohn hinauf. Nach 30 min kommen
sie mit einem Tier zurück, werfen es hinten in den Jeep und brausen
weiter. Nach mehreren Stunden und unzähligen Flussquerungen hat er
es endlich verstanden. Langsam fahren oder zumindest bei Flüssen
warten. Juchu!
Wildromantisch: Berge, Flüsse, Pferde
Wildromantisch
Das Tal öffnet sich, immer öfter
sehen wir an den Hängen Gers. Unser neuer Freund steuert ein Ger an.
Er hält, holt ein paar Felle heraus und tauscht sie gegen Nudeln,
Käse und Geld ein. Kommentarlos geht’s weiter.
Nomadenkinder
Plötzlich fährt er von der Piste, die
es inzwischen gibt ab, und quält sich mit uns durch einen Sumpf. Er
hält macht die Motorhaube auf und raucht erst einmal. Wir fragen was
los ist. Er erklärt uns, dass er das nur vorsorglich macht, denn er
will eine Abkürzung den Steilen matschigen Hang hinauf fahren.
Geradeaus müssten wir den Fluss queren der sehr viel Uuz = Wasser
(dieses Wort werde ich wohl nie vergessen) hat. Hmmm wir sehen Jeeps
die Piste entlang fahren und bestehen darauf auch wie die Jeeps zu
fahren. Sie geben dann nach und fahren mit uns einen sehr steilen
Pass hinauf. Er schafft es fast nicht, verschaltet sich und rollt
plötzlich uns entgegen… und an uns vorbei hinunter. Er wollte den
megasteilen Hang hinauf fahren, sehr witzig. Gegen Abend erreichen
wir glücklich und total kaputt den kleinen Ort. Hier trennen sich
unsere Wege. Er geht seinen Geschäften nach und wir suchen den Weg
nach Tsetserleg.
Ende der schlimme Piste, treffen wieder Nomaden
Die Piste ist immer noch sehr
anspruchsvoll, aber kein Vergleich zu den Bergen. In Tsetserleg gibt
es das Fairfield Cafe & Guesthouse, was von Engländern geführt
wurde. Es ist ein Backpacker Treffpunkt und für uns Zivilisation und
Rettung zu gleich. Wir dürfen die Duschen benützen, bekommen lecker
Essen und Kaffee. Und das aller Beste. Ein deutscher Backpacker
erzählt uns, dass inzwischen die komplette Straße bis nach Ulaan
Bator geteert ist.
Yes, wir haben es geschafft! Aber die
letzten drei Tage haben uns fast die letzten Kräfte gekostet und
unser Auto zerlegt. Wie dumm waren wir, einem Flussbett zu folgen!
Über diese Berge und durch das Tal war die Abkürzung...